Horta-Brunsbüttel: 2000 Meilen „nonstop-ultra“


Fluchtartig verließen wir Horta. Um 19 Uhr warfen wir die Leinen los und fuhren ab. Der Wind wollte einfach, dass wir loslegen. Auch wenn wir normalerweise lieber besonnener starten, war das ok, denn eigentlich hatten wir uns ja so vorbereitet um, wenn möglich, nonstop von der Karibik nach Cuxhaven fahren zu können. Nun nahmen wir mit neuem Petroleumschlauch die zweite Hälfte der „Atlantiküberquerung“ auf uns. Eigentlich wären es nur um die 1300 Meilen bis zur englischen Küste, doch wir machen den Erdmann: Wenn man sein eigentliches nonstop Ziel nicht erreichte, muss es eben das nächste Ziel werden. Also hieß das Motto auch dieses Mal möglichst ohne Unterbrechungen Cuxhaven zu erreichen. 

Dann mal los: „Wir sind voller Vorfreude, auch als es kurz regnet. L. Ging und die Koje, war aber zu aufgeregt um zu schlafen. Ich schlage mich mit sich ständig ändernden Winden rum und bösen Wellen, wenn wir an den Inseln die wir passieren flach wird. Ende der 1. Schicht bin ich schonverschwitzt und mehrmals überspült. Ein aufregender Start.“

Schon ab dem ersten Tag sind wir wieder über glücklich, auf See zu sein: „Also seglerisch war das ein grandioser Start zur evtl. Letzten großen Etappe. Wir haben einen Schnitt von 6,0 Knoten, Sonne und angenehme See. Laut Windvorhersage soll es die ganze Woche so weitergehen. Andiamo gibt also Gas.“ Und auch hier hätte die Reise wieder vorbei sein können. Wir waren beide gerade unter Deck, als es wir das Dröhnen vernahmen: „Nur etwa 20 Minuten unter Deck gewesen, schon steht ein Tanker etwa 50 Meter vor uns. Was für ein Schreck!“ Anscheinend auch für den Tanker, der sich wohl grob verschätzt hatte und mit Vollgas von dannen fuhr. „Abends wird die See und der Wind spürbar ruhiger. Müdigkeit bestimmt trotzdem den ganzen Tag. Brot & Koje braucht man an Bord!“

Der zweite Tag ist Bildgebend fürs Langfahrtsegeln. Wir haben in 24 Stunden nur ein Manöver gefahren: „Haben gehalst und danach gab es. Einen leckeren Grog(Dunkler Rum, Zitrone, Honig, heißes Wasser) :)“ Das ganze macht so viel Spaß, dass Lennart aus dem Schwärmen garnicht mehr raus kommt: „ Wir haben sooo schönes Wetter. Ich bin sehr froh, dass wir Hals über Kopf, so schnell wie möglich von den Azoren los sind. So schön es dir auch war :( Vale ruht etwas in der Koje und ich konnte ihn noch etwas ärgern/ davon abhalten. Habe noch etwas Abwasch und Lernstoff für den Sbf(Sportbootführerschein) vor mir. Dann gibt es Panneköken“ Wobei dieses Gericht ein Indikator für ruhiges Segeln ist, da Lennart sie zubereitet. Unser Leben ist einfach traumhaft, denn das größte Problem war, dass unsere Kühlbox stank.

Da es nun kaum einer Eingewöhnung bedurfte, fingen wir schon am dritten Tag an umher zu philosophieren: „Irgendwie ist das Segeln inzwischen normaler geworden als das Leben an Land“ Tatsächlich war es in Horta zwar klasse gewesen, aber auch ziemlich anstrengend. Nun starrten wir wider aufs Wasser und genossen; „Ich habe ja so einige Erwartungen an diese Strecke gehabt, aber nach dem Mittag, ist echt eine Schildkröte an uns torbeigetrieben. Was macht die hier draußen auf 3000m Tiefe und mindestens 600 Meilen vom nächsten Land entfernt?“ Danach kamen Delfine: sowas hatten wir erwartet.

Die Nacht von Tag Nummer vier war genial. In der Phase zwischen Sonnenuntergang und Mondaufgang haben war es stockfinster, denn die Sterne waren von Wolken bedeckt. Eigentlich schade, aber dann stand ich am Heck und kam aus dem staunen nicht mehr heraus. Alles war schwarz. Der Himmel, die See. Doch unsere Bugwelle und das Kielwasser leuchteten. Unbeschreiblich schön, wie auch: „Heute Morgen gegen 0630UTC habe ich zwei Wale gesichtet. Atemberaubendes Schauspiel. Habe Vale direkt aus der Koje gerissen, Sie brachen die Welle wie ein Fels in der Brandung. Nicht weit entfernt sprangen auch Delfine, so hoch in die Luft wie ich es noch nie zuvor  gesehen habe.(Bi über den Horizont!!) Einfach fantastisch!“ Auch so war es wieder ein toller Tag: „ Andiamo läuft unglaublich schnell Zwischen halben und räumen Winden(bei 4-5bft) laufen wir einen 7,1kn Schnitt.“ Damit erreichen wir unseren Etmal-Rekord: 169,8sm in 24 Stunden. 

In der folgenden Nacht meldete das AIS ein Segelboot mit deutscher MMSI. Nach ein paar Stunden sind wir nah genug um den Namen zu empfangen und es ist tatsächlich SY Exit von unserem Mirko, mit dem wir wieder gleichzeitig von den Azoren gestartet waren, nur er von Flores. Also trafen wir uns tatsächlich mitten auf dem Ozean. Allerdings konnten wir keinen Funkkontakt herstellen und wunderten uns wieso wir nicht an ihn herankamen. Auch sonnst hält die Nacht uns auf Trab. Der Wind flaut ab und wir Motoren bei 20m Sichtweite. „Es musste ja irgendwann kommen.. Bedeckter Himmel, Kälte, Nieselregen und natürlich sehr sehr schlechte Sicht.“

Am 6. Tag sahen wir Mirko dann auch tatsächlich: „Morgens beobachte ich, wie M. Erheblich langsamer wird und auf uns abfällt. Über 24 Stunden haben wir ihn nicht einholen können. Plötzlich ist er in Rufreichweite. Ich wecke Lennart und entkopple die Windfahne. Wir öffnen die Segel und schnacken eine ganze Weile. Das war gesellig. Wir haben ihm alle möglichen Sachen angeboten, aber er wollte nichts. Eine Limette für Cuba nahm er dann doch. Was für ein Zufall, dass wir ihn hier mitten auf dem Ozean treffen. Er war so schnell, weil er Spi/ Blinder gefahren war, bis ihm erst der Block im Masttop und dann das Fall brach. Doch auch mit seiner kleinen Fock machte er fast genauso viel Fahrt, wie wir mit der großen Langfahrtgenua, Der Schnitt scheint wohl nicht so toll Später kamen dann noch Pilotwale. Sie bleiben eine ganze Weile bei uns und quietschten erregt.

Nach einer Woche ärgerte sich Lennart mit einer aufkommenden Erkältung rum. Es war ganz schön kalt geworden. Sich zu Waschen war nun kein Spaß mehr. Aber dafür werden wir immer wieder von Pilotwalen begleiten. Die verhalten sich wie Delfine, unter Wasser fiepen sie unglaublich Laut und über Wasser wird geschnauft. Sie kommen fast auf Armlänge heran.

Nach den ganzen guten Etmalen erreichten wir schon am 8. Tag das Kontientalschalf Europas: „Wir wollen Halbzeit nach Cuxhaven feiern, aber wir finden die Ente nicht“ Dafür Bier, was wir vor der Reise gekauft hatten. „Leider kaputt..“ Währenddessen fahren wir immer noch im Konvoi mit Mirko. Nachdem Lennart seinen Männerschnupfen genug zelebriert hatte, empfand er sich wieder als gesund und wurde wieder produktiv.

Sogar richtig Produktiv: „Der Wind ha leider abgenommen(…) Ich habe also endlich mal wieder den Spi ausgepackt und gesetzt. Prächtig, wie er da steht. M. Versucht uns unter Motor näher zu kommen.“ Seit drei Uhr morgens schnackten die beiden ständig über Funk: L.: „Er erzählte mir auch von seinem Frühstück: Porridge mit Orangen und Zimt. Da läuft mir das Wasser im Mund zusammen. Wieso kam ich noch nicht auf die Idee? Ich bin wirklich noch im Anfangsstadium meiner Porridgekünste.“ 

Bisher hatten wir eigentlich immer 3-5 Windstärken aus räumlichen Richtungen. Somit hatten wir gegenüber den Atlantiküberquerung zwei Tag aufgeholt und erreichten schon am Morgen des 10. Tages auf Höhe Fallmouth: unser eigenes Kielwasser. Nach tausenden Meilen, und Monaten an Bord hatten wir nun unsere Atlantikrunde vollendet, doch wir waren noch nicht vom Schiff runter zu bekommen, geschweige denn an Land zu gehen. Immer weiter sollte es gehen, doch so richtig schönes Segeln, war es von nun an nicht mehr. „Ja, wir sind im englischen Kanal. Die Dünung ist weg, der Wind leider auch und der Horizont ist ein Feuerwerk: Städte strahlen in den Himmel, Leuchtfeuer blinken, und Schiffe auf Reede spielen Stadt auf See. Wirklich problematisch ist das nicht, sondern eher, die Tanker und Fischer, die uns Kreuz und Querdurch den Ärmelkanal jagen.“ Trotz des wenigen Windes Proberen wir alles rauszuholen: „Die Sonne zeigt sich zum ersten mal seit Tagen wieder und den Spi konnte ich auch für ein paar Stunden  setzen.“ Unermüdlich ziehen wir den Spi hoch und runter, Motoren und weichen der Berufsschiffart aus, was eher selten notwendig ist. 

Ansonsten hatten wir nur die üblichen Freuden und Tücken dieser Gewässer: „Tidensegeln, bei Wind na gut. Aber jetzt, dümpeln wir bei 2bft mit und 3/4Gas der Maschine gegen 3 Knoten Gegenstrom! Fahrt ist gering. Dabei freuen wir uns so auf die baldige Ankunft.“ Ein paar Stunden später sieht dann wieder alles anders aus: „Meine Wache, bei mitlaufender Strömung war super…6-7 Knoten bei Halbgas.“

Trotz der unbeständigen Winde verlassen wir an Tag 12 schon wieder den Kanal: „Der Brexit schein folgen zu haben. Nicht nur, dass man mit britischen Seglern über kaum was anderes schnacken kann, sondern selbst die Passage Dover-Calais liegt unbefahren vor…“ „Der Wind baut sich endlich auf. Segel stehen zumindest schon. War echt überrascht vom Kanal. Reichlich Verkehr der Großschiffahrt, aber da halten sich die meisten ja in den Schifffahrtswegen auf, von denen wir uns ja freihalten auf. Fischer sind vereinzelt am Tage da, aber in der Nacht verschwinden plötzlich alle und es erscheint echt leer.“  Den Tag sind wir unendlich viele Manöver gefahren, während der Wind sich langsam einpendelte.

Auch das passieren von Rotterdam war kein Problem. Es wahr zwar viel los, aber wir konnten unbehelligt die Hafeneinfahrt queren. Trotzdem: „Die Nordsee fordert jegliche Aufmerksamkeit und erweist sich wieder als Anspruchsvoll.Wir konnten reichlich Spi fahren. Echt wenige Segler unterwegs. Die Karibik ist ja vll von uns. Trotz der Ablenkung durch Manöver zieht sich das Ende der Reise ganz schön hin., wie die letzten Stationen mit der Bummelbahn.“ 

Nach zwei Wochen an Bord: „ANdiamo und Crew geht es bestens. Verwunderlich, dass A. Keinerlei Ermüdungserscheinungen, bis auf den Kocherschlauch und ein paar nach zu nähende Nähte aufweist. Bin begeistert.“ Allerdings: „Das macht echt kein Spaß. Haben jetzt Wind von Vorn und auch die Strömung Nu ist der Wind aber zu schwach um gut gegen die Störung anzukommen, jedoch zu stark um mit unserer geringen Motorkraft gegen zu kommen. Jetzt segeln und Motoren wir zugleich. 

Und dann kurz vor Ende ist nochmal Ärger: „ Die Deutsche Bucht hat uns nochmal eins auf die Mütze gegeben. Je näher wir der Elbe kamen, desto stärker wurde der Wind und wir mussten voll gegenan. Den ganzen Tag waren wir gekreuzt und nun ging nichts mehr. In der engen  Fahrrinne & daneben Sandbänken mussten wir Motoren, aber Wind und Welle machten das unmöglich.“ Etwa dasselbe war uns auf dem Hinweg vor Norderney geschehen und wieder zogen riesige Gewitter auf: „Dieses Mal sehen wir das ein und drehen ab. Wir rasen Halbwind und unter Sturmfock auf die offene Nordsee und wollten dann eigentlich mit Halbwind auch wieder zurück. Doch nach ein paar Meilen waren die Gewitter durchgezogen, der Wind weg und drehte…“ Wir hatten innerhalb von 2 Stunden zwischen 1 und 9 Windstärken. In den Böen pfiff mir abwechselnd heißer und kalter Wind ins Gesicht. Mal prasselte es, und dann waren wieder Sterne zu sehen und die Blitze waren gigantisch. 

Mit der Nächsten Tide konnten wir dann in die Elbe einlaufen und gleich bis Brunsbüttel fahren, wo wir unserer Gastlandflaggen hochzogen und nach 15 Tagen  anlegten. Wir hatten zum ersten Mal seit Portugal im Oktober wieder auf  dem Festland. 

Eindrucksvoll war dieser letzte große Schlag. Die ersten 10 Tage waren zwar nicht so abwechslungsreich, aber umso schöner. Wir hatten unglaublich gute Bedingungen und jede Menge Spaß. Dazu kamen dann die anspruchsvollen Tage im Ärmelkanal und der Nordsee. Wir vermissen jetzt schon die große blaue Weite des Atlantiks, die unendlichen Strecken und die langen Wellen. Der Ozean konnte uns viel bieten und wir haben diese Vielfalt sehr genossen. Die Freiheit ist grenzenlos. 



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