Mythos Biskaya


Es gibt zwei Arten von Menschen, die über die Biskaya sprechen. Die einen verbreiten Angst und Schrecken. Ihre Geschichten, wie sie diese Hürde gemeistert haben sind gespickt mit brenzligen Situationen und jeder Menge Malheur. Es fallen immer wieder Wörter, wie Sturm, Brecher oder gefährliche Kreuzseen. Der Mythos Biskaya entsteht. Bei den anderen, meist erfahrene Blauwasser- oder Fahrtensegler, muss man erst raushören, dass sie auf ihrer Route zwangsläufig die Biskaya passiert haben müssen. Auf Nachfrage antworten sie dann nach dem Motto: „Ja klar, du nicht?“ - Ist ja kein Unding. 

Nun lässt man sich aber auf Grund Ersterer doch ein wenig auf die Palme bringen. Man ließt sämtliche Erfahrungsberichte und widersprüchliche Tipps. Dann entscheidet man sich für einen Ausgangsort(meist Falmouth oder Brest) und macht sich über die Route gedanken. Der Start von England aus soll den Vorteil bringen, dass man weiter draußen auf dem Atlantik ist, wo die Welle länger und entspannter ist. Nur ist dieser Törn etwa 100 Meilen und damit einen Tag länger als von Frankreich aus. Wir hätten das, da wir eh schon die Englische Küste entlangsegelten, gerne versucht, doch nach elf Tagen hatten wir das Warten satt und sind rüber nach Frankreich gesegelt.  Brest wurde uns abgeraten, weil es nicht so schön sein soll und vor allem liegt es einfach tief in einer Bucht. Alles Meilen, die man sich in Camaret-sur-Mer sparen kann. Für einen Start von Frankreich aus spricht auf jeden Fall auch die bessere Käse- und Weinauswahl. Das Ziel im Süden der Biskaya war bei uns, wie bei so vielen A Coruña.

Nachdem dann Route und Abfahrtsort bestimmt ist, wird man zum Wetter-Suchti. Mehrmals am Tag checkt man alle Modelle von Windy und  ggf. Wetterwelt o.ä. und sucht nach einem geeignetem Wetterfenster. Doch wie soll das aussehen? Darüber ist man sich im Allgemeinem noch nicht wirklich einig. „Wenn ein Tief durch ist und NW-Wind einsetzt“, „Bei östlichen Winden hat man Ruhe durch die Abdeckung.“ Usw.. Naja, war uns dann auch egal. Wir wollten 15 bis 25 Knoten aus räumlichen Richtungen, also etwa NW bis NO. Bei weniger Wind schlagen die Segel bei den Wellen nur umher und bei mehr Wind will die Windfahne irgendwann nicht mehr so ganz. Dann war uns noch wichtig, dass kein Sturm direkt vorher durch gezogen war, dessen Welle wir dann noch abbekommen würden und dass kein Sturm in der Nähe ist, der unvorhergesagt Kurs auf uns nehmen könnte. Soviel zum Wetter.

Während man dann wartet und wartet, bei uns 11 Tage in Falmouth und 8 Tage in Camaret macht man dann alle möglichen Arbeiten, zu denen einem geraten worden ist. Sprich, wir sind in den Mast geklettert, haben alle Wanten, Fallen und Rollen kontrolliert, dann den Motor und die  Elektrik  nochmals gewartet und Undichtigkeiten verklebt. Wenn man sich dann abschließend verproviantiert hat und alles sicher verstaut ist, kann es dann auch endlich los gehen. Hauptsache man hat ein gutes Gefühl und das hatten wir.

Gesagt getan: Am vergangenen Dienstag ging es 17:30(local time) zusammen mit der SY Irma aus Camaret aus los. So ging es gemütlich im Konvoi noch die französische Küste entlang und wir funkten ein wenig miteinander. Doch dann sagte eins der fünf Vorhersagemodellen auf einmal, dass der Sturm ein wenig früher durch die Biskaya ziehen würde. Diese 50 Knoten und fünf Meter Welle  hatten wir schon argwöhnisch beobachtet, jedoch auch einen Zeitpuffer von 24 Stunden. Dieser würde jetzt ein wenig geringer sein. Für uns stand fest, es geht weiter, doch leider ohne die Irma, die lieber auf Nummer sicher gehen wollte und wieder nach Camaret abdrehte. 

So ging es zu zweit, aber allein zwischen den letzten französischen Felsen durch in die Biskaya. Wir ließen bei dem wenigen Wind den Motor mitlaufen um unsere 5 Knoten zu halten und somit dem Sturm zu entgehen. Es gab ein Neuwasser Pils, Delfine begleiteten uns Stunden über Stunden. Nur konnte man absolut keine Bilder machen, da es sehr, sehr diesig war. Trotzdem war das Spiel der Tiere wie immer entzückend und da sonst nichts los war auf dem Teich hatten wir eine sehr ruhige erste Nacht.

Wie immer gab es nicht viel Schlaf in der ersten Nacht, sodass wir das Schichtsystem auch tagsüber weiter laufen lassen haben. Trotzdem haben wir viel erlebt. Die Delfine begleiteten uns weiterhin und eine Walfamilie kreuzte unsere Route. Nur kam uns das süße, etwa drei Meter lange Walbaby ein bisschen nah. Faszination und Adrenalin, wie man sie auf keinem Weihnachtsmarkt erfährt. 

Auch an die Angel hatte endlich Mal was angebissen und es herrschte sofort rege Aufruhe an Deck. 100 Meter Angelsehne per Hand einholen ist gar nicht so einfach wenn da wer in die andere Richtung will. Schlussendlich betrachteten wir stolz unseren ersten Fang, wie er wieder ins Wasser fällt. Die Enttäuschung war groß. Welcher Idiot macht auch erst Fotos und holt dann das Ding an Bord?? Naja wir halt. Leider war in letzter Sekunde die Sehne aus der Pressung am Haken gerutscht. So ein Mist, bei unserem neuem Haken haben wir diese gleich durch einen vernünftigen Knoten ersetzt. Doch kein Fisch wollte mehr anbeißen. 

Wir hatten das Kontinentalschelf verlassen und befanden uns jetzt 4800 Meter über dem Grund. Aber wir sind ja zum Glück ein Korken und treiben oben. Treiben und schaukeln. Es hatte aufgebrist. Wir schlugen von der Genua auf die Fock um und zogen das erste Reff ein. Die NW-Dünung des Atlantiks und die Welle vom Ostwind  schlugen um uns und brachten Andiamo mächtig ins Schaukeln. Und es kam noch mehr Wind auf. Zweites Reff und die Wellen kamen Gefühlt aus allen Richtungen. Die See peitscht und nichts bleibt trocken. Doch die Windfahne meistert die inzwischen 27 Knoten gekonnt und wir surfen mit bis zu acht Knoten Spanien entgegen. Auch wenn es nicht mehr so richtig gemütlich war, so freute uns trotzdem die Bootsstabilität und Geschwindigkeit sehr. Nur schlafen ging nicht so wirklich.

Neuer Tag, neues Glück. Mit einem fantastischem Sonnenaufgang nimmt der Wind langsam wieder ab und die See beruhigt sich. Doch an richtiges Kochen war noch nicht zu denken. Wieder und wieder stopften wir uns mal einen Apfel oder ein Riegel rein, doch der schöne Couscous Salat, den wir extra vorbereitet hatten, hat sich nicht mit unserem Magen vertragen. Die Angel blieb weiterhin erfolglos und wir holten Schlaf nach. Abends gab es dann eine Portion von dieser schockgefrorenen „Kipp nur Wasser drauf“-Nahrung, die Lennart für seine Mini-Transat Kampagne bekommen hatte. Wir schafften es selbst zusammen kaum dieses Beutelchen auf zu essen. Ob wir Seekrank sind? Nein! Naja jedenfalls mussten wir nicht die Fische füttern. Eigentlich ging es uns auch ziemlich gut, nur halt mit weniger Nahrung.

Abends ließ der Wind dann deutlich nach. Also konnten wir ausreffen und haben mal ein „Wir leben noch Anruf getätigt.“ Daheim waren alle schon ganz aufgeregt, weil wir fernab der Küste natürlich nicht mehr über Marinetraffic getrackt werden konnten. Naja uns gehts ja gut. Der Wind nahm weiter ab und drehte immer südlicher. Also musste die gute alte Dieselfock mal wieder ran. Abgesehen davon herrschte vollkommene Ruhe. Bis auf einmal der Kompass sagte wir fahren nach Norden, nanu? Die Windfahne wusste bei der einsetzenden Flaute wohl nicht mehr so ganz. Nach diesem kurzem Ehrenkringel und der Anbringung des elektrischen Pinnenpiloten ging es nun nur noch unter Motor die letzten 60 Meilen nach Spanien. Abwechselnd bewunderten wir die klare Nacht, sooo viele Sterne, und schliefen endlich mal so richtig. 

Zusammen mit abnehmender Tiefe kamen auch die Delfine wieder hervor und begleiteten uns bis nach A Coruña. Wir waren nach knapp 340 Meilen und 65 Stunden angekommen. Der große Schritt, die Biskaya, lag endlich hinter uns. Wir klatschten ein und freuten uns. Was für ein schöner Törn. Aber das war es eben auch, einfach ein langer Schlag. Nicht mehr Mythos oder Abenteuer als sonst auch. Also keine Angst, einfach machen!

Und mit den spanischen Winden verabschieden wir uns
Lennart und Valentin



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