Zurück in Deutschland: Das große Finale unserer Reise



Angelegt in Brunsbüttel guckten wir uns freudig um, grüßten unsere Stegnachbarn und wurden ziemlich enttäuscht. Manche haben uns angeglotzt ohne mit der Wimper zu zucken, andere schauten nicht mal hoch. Naja, wir genossen einen schönen Gin Tonic. Den hatten wir uns nach der letzten Tour wirklich verdient. 

Schnurrstracks machten wir uns auf den Weg zum nächsten Döner. Nach dem Festmahl genossen wir unsere erste Dusche. Das Leben an Land ist doch ganz in Ordnung. Nachdem wir ein bisschen klar Schiff gemacht hatten verkündeten wir die frohe Nachricht der Ankunft und gingen essen.

Wir waren nun zwar wieder in Deutschland, aber noch nicht zu Hause. Am nächsten Tag motorten wir gemütlich durch den Nord-Ostsee-Kanal. So ziemlich jedes Boot überholte uns. Warum auch immer gaben alle Vollgas. Einer teilte uns mit, dass man wegen nur noch einer geöffneten Schleuse in Kiel, manchmal Stunden warten müsse. Wir erreichten den Wartebereich grade so, dass wir ziemlich direkt in die Schleuse fahren konnten und waren so auf ein Mal wieder vor all den Anderen, die da schon eine Weile gewartet hatten. 

Fröhlich legten wir, wie auch auf dem Hinweg, in der Schwentine an. Wir konnten uns zwar nicht mehr erinnern, wann wir das letzte Mal. In einer Box, ohne Fingersteg, sondern lediglich Dalben festgemacht hatten, aber auch das klappte wie am Schnürchen. Noch bevor wir die Leinen richtig fest hatten, viel man uns um die Arme. Das Trans-Ocean (TO) Stützpunktleiter-Paar in Kiel (http://www.co-ki.net) würde von nun an übernehmen und an unserer Stelle die Weltmeere bereisen. Auch die erfahrenen Weltumsegler, Inge und Wolfgang, die uns mit bewährten Infos und Materialien ausgestattet hatten freuten sich sehr, dass wir unsere Atlantikrunde vollenden konnten und luden uns zu dem ein, was zu der Zeit am besten war: Spargel und Erdbeeren. Derweil wurde viel geschnackt. Nun waren wir an der Reihe unsere Erfahrungen an die angehenden Blauwassersegler weiterzugeben. 

Am kommenden Tag blies uns der Wind entgegen, sodass wir uns nur bis Strande verholten, wo Lennarts TO-Mini „Mex“ lag. Seine Kampagne zusammen mit dem TO für die MiniTransat 2021 hatte während unserer Abwesenheit Form angenommen. Auch wenn der Scow-Bug des Vector 6.50 eher unförmig aussieht, erkennt man sofort, wofür dieses Boot gebaut wurde. Um mit Lennart über den Atlantik zu rasen! Lennart und sein Co-Skipper fachsimpelten enthusiastisch, nach einer wirklich sehr kurzen Begehung, den lieben langen Tag über das neue Boot. Ich machte derweil ein Takling nach dem anderen, ans Ende der Leinen und sah dann auch in dieser umfangreicheren Klaviatur durch. Diesen schönen Arbeitstag begossen wir mit ein bisschen Bier. 

Der nächste Tag verhieß Aufbruch. Nicht nur Schilksee/ Kiel begann sich mit jungen Seglern zu füllen, die am Wochenende Regatta segeln wollten, sondern auch unserer letzter Schlag nach Hause. Nur wehte es wirklich kräftig, sodass wir unseren Start erstmal hinaus zögerten, um nicht schon in der Nacht Stralsund zu erreichen. Gegen Mittag zischten wir ab. Nur mit kleiner Fock und im 3. Reff erreichten wir mit einem Schnitt von über 6 Knoten die Fehmarnbrücke. Dahinter bargen wir das Groß vollständig um zu einer menschlichen Uhrzeit in Stralsund anzukommen. Denn wir hatten uns angekündigt und doch ein wenig Aufregung der Wartenden verspürt, obwohl wegen Pfingsten viele unser Einlaufen verpassen würden. In der Nacht wechselte die Windstärke immer mal wieder, aber wir hatten so viel Strecke gut gemacht, dass uns das herzlich egal war. Lennart musste schließlich sogar Kreise segeln um noch ein bisschen Zeit rauszuschinden. Durch die ständigen Wenden wachte ich auf und sah mich auf einmal in greifbarer Nähe zur Zingster Seebrücke wo Lennart hin und her segelte und derweil mit seinem Vater sprach, der von der Brücke runter rief. Ein bisschen verdutzt legte ich mich wieder in die Koje. 

An Schlaf war allerdings nicht mehr zu denken. Die Anspannung stieg und endlich konnten wir Kurs Hiddensee nehmen. Doch wie das so ist, wenn man stundenlang die Fahrt verlangsamt, flaute der Wind immer weiter ab und wir zogen unseren großen rosa Spinnaker und glitten majestätisch in unsere heimischen Gewässer hinein. 

Kurz vor Hiddensee kreuzte ein Segelboot hin und her. Auf einmal barg es die Fock und heizte mit Vollgas uns entgegen. Die Segelyacht Avalon sprang von Welle zur Welle und ihre Wimpel empfingen uns freudig. Jauchzend begrüßten uns Norbert und Corinna, die  damals in der Vorbereitungszeit, unsere Nachbarn im Winterlager gewesen waren und so unsere Freunde wurden. Überraschenderweise saß auch meine Freundin bei ihnen im Cockpit. Sprachlos winkten wir ihnen. Trötend, mit Wimpeln geschmückt, lachend und winkend zollten uns immer mehr entgegenkommende Boote ihren Respekt. Das Gefühl war überwältigend und endete nicht. Boot für Boot kamen uns neue Gesichter entgegen und schlossen sich uns an. Wir bargen den Spinacker und führten unser Empfangskomitee in das Fahrwasser, vorbei an Barhöft an. 

Doch auch hier kamen uns weitere Freunde entgegen.  Nachdem wir die Segel bergen mussten, mischten wir uns einen Gin Tonic, kippten einen großen Schluck in den Kubitzer Bodden und bedankten uns bei See, Wind und Andiamo für die schöne Reise. Anschließend mussten wir uns erstmal konzentrieren. Die SY Fugbaum hielt auf uns zu. Sie passierten uns so nah, dass wir zwei frisch gezapfte Störtebeker Pils in Empfang nehmen konnten. Jaa, sie haben extra ein Fass mit Zapfanlage entgegen gesegelt. 

Ein Bier ist natürlich schnell alle und es war noch Zeit bis die Brücke ziehen würde. Also legten wir uns treibend ins Päckchen und genossen Kuchen, frisch gezapftes Bier und reichlich Umarmungen. Inzwischen waren wir etwa 12 Segelboote und nach einer Weile trieben wir alle nebeneinander Stralsund entgegen. Man enterte uns schnell: Unser bester Freund, unsere Väter, meine Freundin und dann alle, die grade nicht mit Bier oder Kuchen beschäftigt waren. Das war sicher die schönste Kaffeepause der Welt. Wie soll man seine Freude über unsere Ankunft ausdrücken? Da fehlen mir auch nach einem Jahr bloggen die Worte. Doch während ich das schreibe läuft mir ein Schauer über den Rücken und eine Träne die Wange runter.

Ein bisschen zu heiter nehmen wir Kurs auf Stralsund. Im Konvoi fahren wir in den Stadthafen ein und auf die Brücke zu, die sich langsam für uns öffnet. Auch die nicht beteiligten Boote erkennen die Situation und lassen uns zuerst passieren, begleitet von Nebelhörnern. 

Und so glitten wir in den Kanal vom Dänholm ein. Schon auf der Mole stehen sie. Alles ist mit Blumen geschmückt und unser damaliger Stammliegeplatz, direkt an der Freundschaft, dem großen roten Vereinsschiff der Segelschule Dänholm, wurde für uns geräumt. „Benvenuti Andiamo“ steht geschrieben und die, die nicht mit auf dem Wasser waren empfingen uns. Noch bevor wir richtig fest sind fallen uns unsere Mütter in die Arme. Wir stehen beide kurz erstarrt auf dem Bug, überwältigt vom Trubel der uns willkommen heißt. Dann nehmen wir die zurückgeführten Leinen an, schalten den Motor ab und gingen mit einem letztem, liebevollem Tätscheln auf die Sprayhood von Bord. Andiamo war sicher verzurrt. Wir waren angekommen, diesmal so richtig.

Es war gut, dass man uns schon Stunden zuvor zum ersten Mal gegrüßt hatte und wir uns Boot für Boot wieder eingewöhnen konnten. Sonst wäre diese Ankunft zu überwältigend gewesen. Ich nehme meinen Neffen auf den Arm, für den ich genauso fremd war, wie er für mich. Auch er scheint ein bisschen perplex von all den Menschen und der euphorischen Stimmung. Er lächelt mich an, dieses erst ein halbes Jahr alte Kind weiß, wie es ist, wenn alles größer ist, als man selbst und man der entgegengebrachten Liebe noch nicht mit Worten begegnen kann. Ihm fehlen sie noch und ich kann keine passenden finden. Ich probiere eine Umarmung, eine Minute, ein Dank für jeden aufzubringen, aber es wird dieser festlichen Ankunft nicht gerecht. 


Wir sind angekommen und Ihr alle habt uns in der Vorbereitungszeit, während der Reise und beim Zurückkehren unterstützt. Wir konnten uns einen Traum erfüllen, und ihr wart ein Teil davon. Wir wollen euch danken.

Wir danken unseren Eltern, die uns zu den Menschen gemacht haben, die wir sind. Zu  eben denen, die dieses Abenteuer wollten und konnten.

Wir danken Johan, mit dem wir im Schweden-Segelurlaub waren, wodurch dieser wilde Plan erst entstanden ist.

Wir danken Thomas Schenk und der Segelschule Dänholm, wo uns von einer Werkstatt bis zu den richtigen Werten beim Teeplausch alles geboten wurde.

Wir danken Norbert und Corinna von der SY Avalon, die uns von Anfang an unterstützt und den grandiosen Empfang auf See organisiert haben.

Wir danken Wolfgang und Inge von der SY Stella Maris, deren Erfahrungen und Karten uns bis in die Karibik und wieder zurück brachten.

Wir danken unseren Freunden, die uns auch wenn wir kaum Zeit hatten nicht im Stich gelassen haben und uns so ein Stück Entspannung schenken konnten.

Wir danken meiner Freundin Nele, die mich bis in die Karibik und zurück geliebt hat und diesen Blog gefüttert hat, wenn wir zu schlechtes Internet hatten.

Wir danken unserem besten Freund Josef, der auch beim schlechtesten Wetter unsere damals ganz neu errungene Andiamo mit überführt hat und es schaffte uns auch nach zehn Monaten noch ein genauso guter Freund zu sein.

Wir danken Martin von der SY Pommernland, der uns mit seiner Rettungsinsel ein Gefühl von Sicherheit mitgegeben hat.

Wir danken Tobsen von der SY Killer Queen, der uns trotz aller Skepsis und großer, eigener Projekte unterstützt hat.

Wir danken Bernd, der immer für unsere Sache war und Lennart schonmal mit „Mini-Futter“ versorgt hat.

Wir danken Jakob der den Plan für unsere Energieversorgung entworfen hat und Rene für die vielen Tipps und reichlich Material für unsere Elektronik, sodass uns auch in den dunkelsten Tagen ein Licht brannte.

Wir danken dem Trans Ocean e.V., dessen Wissensschatz in der Community riesig ist und und Lennart einen Mini 6.50 und so einen Grund gegeben hat, zurück zu kommen.

Wir danken all denjenigen, die an uns geglaubt haben, die uns das Gefühl gegeben haben, wir können das schaffen.

Wir danken all denjenigen, die wir unterwegs getroffen haben, dafür dass sie uns egal wo wir waren, in ihre Welt aufgenommen haben und diese Reise so gesellig machten.

Wir danken all denjenigen, die uns ab und an mit netten Grüßen und manchmal auch einem großen Taler, den Tag versüßten und dazu beigetragen haben, dass wir uns weder Spaß noch Sicherheit absparen mussten.

Wir danken euch Lesern, dass Ihr mit eurem Interesse, uns den Spaß bereitet habt unsere Geschichten zu teilen.

Wir sind dankbar, dass aus unserm Projekt: „Atlantiküberquerung 2018/19“ diese unglaublich schöne Atlantikrunde wurde. 

Allen, die darüber nachdenken sagen wir nur: 

¡Andiamo!

 

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