Ärmelkanal: Delfine in Sicht





Endlich ging es los. Morgens um drei Uhr Ortszeit hieß es „Leinen los“. Unausgeschlafen aber glücklich, endlich weiter zukommen, verließen wir Cowes. Der Aufenthalt war schön, und die Fock ist wieder ganz, doch wir hatten eine Menge Geld und Zeit da gelassen. Wir wollten einfach weiter. Wir kamen weiter und das schnell. Mit der Strömung im Rücken liefen wir mit neun Knoten aus dem Solent aus. Doch der Kanal hatte mal wieder was zu bieten:
Vale wollte gerade die Segel anschlagen, als Lennart, am Steuer stehend, auf einmal hellwach war. Trotz Dunkelheit und Nebel, stachen die Wasserwände, auf die Andiamo zufuhr, wie Berge aus der zuvor glatten See. Lennart schrie: „FESTHALTEN!“ Vale bekam den Seezaun gerade noch zu fassen und schaute sich fragend um, als die anderthalb Meter hohen Brecher uns trafen. Noch ohne Segel völlig unstabil schaukelte Andiamo in der wilden Mischung aus alter Brandung und heftiger Strömung. Die sich tagelang aufgebaute Welle, noch zugespitzt, von der Strömung brach sich genau bei uns durch die nebenliegende Untiefe. Es spritzte, schaukelte und ächzte bis dann: 
Ruhe. Das Gewässer wurde breiter, die Strömung ließ nach und die Untiefen lagen hinter uns. Genauso schnell wie, die Wellen über uns kamen, waren sich auch schon wieder weg. Und wir waren wieder im Ärmelkanal und setzten Kurs auf Falmouth.

Das war ein Erlebnis, jetzt waren wir wenigstens wach. Im zweiten Versuch konnten wir dann ganz in Ruhe die Segel hoch nehmen und uns gemütlich bei 3 Windstärken und mitlaufender Strömung auf den Weg machen. Nun testeten wir mal den zweiten Spibaum, den Vale gebaut hat. Direkt vor dem Wind, bäumten wir die Fock nach Luv aus und es kam schonmal richtiges „Passatfeeling“ auf. Vor lauter Freude behauptete Vale: „Heute sehen wir noch Delfine!“ Woraufhin sich Lennart kopfschüttelnd in die Koje verkrochen hat. 

Nun allein, keine Delfine sehend, nahm sich Vale sein Buch vor. Gelegentlich mal den Kurs checken, Umschau halten und Tee trinken. Der Wind drehte ein wenig, sodass wir wieder einen vernünftigen Raumschotkurs fahren konnten und darüber waren wir froh. Denn die Windfahne will doch ab und an mal eine Patenthalse fahren. Weil Andiamo die Wellen runter surfte fiel es erst nicht auf, doch wir wurden immer langsamer, Von Anfangs sieben Knoten, waren wir jetzt nur noch bei drei. Also schlug Vale die Genua an: Ergebnis dreieinhalb. Durch die bisherigen Geschwindigkeiten waren wir Stunden zu früh an der nächsten Landzunge angekommen, mit 4,5 Knoten Gegenstrom und das bei extra großem Abstand, Natoll. 

So haben wir uns immer wieder abwechselnd über unsere Geschwindigkeit gefreut und geärgert. Je nach dem, wie die Strömung gerade war. Dazu gab es tolle Mahlzeiten, wie Hühnchencurry und Kartoffelbrei mit Spiegelei und ohne Spinat. Von den angeblichen Unmengen an Bohrinseln, Anglern und Berufsverkehr sahen wir weiterhin nichts. 

Abends ließ Lennart einen letzten Blick über die See schweifen, bevor es in die Koje gehen sollte. Was er sah ließ ihn, nur is T-Shirt und Boxer auf einmal umherspringen. Delphine, eine ganze Schule, begleitete uns durch den Sonnenuntergang. Sie sprangen und spielten. Und wir waren voller Glück. Es waren nicht nur diese süßen Tiere, die ein mit Freude erfüllten, sondern auch der Gedanke, dem Atlantik und unserem Ziel näher gekommen zu sein.

Mit diesen Gedanken ging Lennart dann ins Bett. Doch er konnte nicht lange träumen.. Während Vale Andiamo durch die Nacht leitete, telefonierte er mal mit der Heimat, erzählte so wie es ihnen erging und was er gerade sah. Was er gerade nicht sah, war das Buglicht, was eigentlich leuchten sollte. Wir haben bestimmt  ein wenig Panik ausgelöst, am anderen Ende der Leitung, mit: „Ich muss was regeln! Gute Nacht“, doch dafür war nun gerade keine Zeit. Lennart musste also wieder raus aus der Koje und ab auf den Bug, denn Vale war in der Zufahrt nach Plymouth doch mal mit regem Verkehr beschäftigt.

Anstatt lange einen Fehler zu suchen und diesen umständlich zu reparieren wurde die LED im Buglicht einfach durch eine Kopflampe ersetzt und wir lachten über den einwandfrei funktionierenden Pfusch, den wir mal wieder geleistet hatten. Jaja, vor der Biskaya müssen wir wohl noch einiges tun. 

Die Nacht lief dann relativ ereignislos ab, bis Vale morgens aus der Koje gescheucht wurde. Und so stand ein noch völlig verschlafener Vale in Boxer auf dem Bug und hat den Delfinen bei ihrem Spiel zugeschaut. Kann man die eigentlich nur in Unterhose antreffen? Vielleicht stehen sie drauf. Es scheint jedenfalls manchmal so, als würden sie uns beobachten. Als uns dann später bei unserem British Breakfast noch ein Mal diese Tiere gekreuzt haben, waren wir total hin und weg. Und vor allem da. Schon wieder hatten wir einfach mal eben so 165 Meilen hinter uns und ließen unseren Anker in Falmouth runter.  Unsere Eindrücke zu dieser Stadt werdet ihr in den nächsten Tage lesen, denn wir werden hier wohl mal wieder ein wenig Urlaub machen.

Bis dahin 

Lennart & Valentin

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