Vor der Atlantiküberquerung West-Ost: Gedanken über den langen Weg nach Hause


JA, wir wollen zurücksegeln. Das hat viele überrascht, war aber für uns immer klar. „ Wenn das Geld reicht segeln wir unser Schiff auch nach Hause“ haben wir gesagt. Das ist noch drin und vor allem wollen wir das unbedingt. Zu schön stellen wir uns die Ankunft im Heimamthafen(Stralsund) vor. Zu traurig wäre es, das Boot hier unter Wert verscherbeln zu müssen. Zu gern wollen wir erneut auf den Atlantik. Zu unvollendet wäre die Reise hier. Und zu groß der Schock von der warmen, farbenfrohen Karibik im kalten Deutschland aus dem Flieger zusteigen. Wir wollen beenden, was wir angefangen haben. Gemeinsam: Lennart und Ich mit unserer Andiamo.

Wenn feststeht, wir machen das, fühlt man sich erstmal gut, doch dann fragt man sich: wie eigentlich? Wann? Welche Route? Was müssen wir dafür noch tun? Unser erster Anlaufpunkt war eine Bar: Es galt zu recherchieren. Doch außerordentlich wenig wird über eben diese West-Ost-Überquerung geschrieben. Und vor allem scheint jeder was anderes zu berichten, oder sogar auf einem Törn die gesamte Bandbreite von Flaute bis Sturm, von glatter See bis zehn Meter Wellen zu berichten. Auch das gibt es also noch. Das Internet kann einem nicht weiter helfen. Was macht man da? Man greift zum Buch. Tatsächlich ein Werk, was so ziemlich jeder Langfahrt Segler an Bord hat: Jimmy Cornell: Segelrouten der Welt. Damit und mit gezielter Recherche kamen wir zu einigen Schlüssen:


Es gibt zwei mögliche/empfohlene Routen: Die traditionelle Nordroute über Bermuda und dann erstmal möglichst nach Norden zu Segeln. Dort, bei ca. 40° Nord nach Osten zu den Azoren segeln. Das macht von daher Sinn, dass dort eigentlich die Westwindzone und auch hilfreiche Strömungen zu erwarten sind. Segeltechnisch klasse. Doch nun ist diese Strecke auch bekannt für Stürme, Nässe, Kälte, Nebel und sogar Eisberge. Die großen Tiefdruckgebiete die wir immer von Nordamerika aus über den Atlantik ziehen sehen geben uns zu denken. Dazu kommen Berichte mit Wellen bis zu 33 Fuß(ca. 11Meter). Nun kann man diese Route variieren, etwa weiter nördlich fahren oder eben weiter südlich. Das müssten wir auf jeden Fall, denn die beste Reisezeit ist mit Mai/ Juni angegeben und über 40°N kann man dann noch auf Eisberge treffen.. Diese Route hätte mehrere Vorteile: Wir könnten zum Beispiel die Bahamas auf dem Weg dorthin „mitnehmen“ und wir hätten wahrscheinlich Wind. Doch da wir schon gegen Ende April aufbrechen wollen, um Ende Juni in Deutschland zu sein, haben wir uns gegen diese Route entschieden. Zu früh, zu nass, und vor allem noch um die 2000 Meilen zu segeln bis zu den Bermudas. Das wäre ganz schön eng geworden, auch auf Andiamo, weil Verproviantieren können wir uns nur auf St. Martin leisten und damit dann 5000Meilen auskommen zu müssen wäre sehr entbehrungsreich. Wir haben aber Urlaub, also abgehackt.
Die Alternative zur Nordroute stellt eine direkte Strecke zwischen den kleinen Antillen und den Azoren da. Da muss man sich erstmal eine Weile hart am Passat fahren, obwohl der, im Frühjahr durchaus mal auf Südost drehen kann. Dann fährt man einen Nordost Kurs und Entlang der Großkreisroute, wo man irgendwo um die 25° Nord dann auf leichte Winde bis Flaute stoßen könnte und dann ggf. Motoren muss. Danach sollte man auch auf die Westwindzone treffen und dann die Azoren anlaufen können, oder vielleicht sogar gleich in den Ärmelkanal, wenn Wetter, Wasser, Sprit, Nahrung und Crew da mitmachen. Der große Nachteil dieser Strecke ist nun mal die Möglichkeit von Flauten. Doch dass soll garnicht so schlimm sein, wie sich das in den Köpfen der Segler einmanifestiert hat. Ja, früher, mit den ewig schweren Holzschiffen kam man halt auch bei wenig Wind nicht vorwärts. Unser kleiner, aber feiner GFK-Klassiker ist zwar ein wenig überladen, aber immer noch sehr schnittig und für Hochseeregatten entworfen. Wir hoffen also darauf, auch mit dem wenigen Wind segeln zu können und bunkern 150 Liter Diesel, was bei einem Verbrauch von 1l/h ausreichen sollte, auch wenn uns die 10,6 PS bei Seegang wenig Fahrt bescheren werden. Auf Grund von unserer recht frühen Abfahrt haben wir uns also für diesen Weg entschieden.


Hier unser Plan: Wir erkunden noch ein paar letzte Inseln, geben die letzten East Caribbean Dollar aus und kehren zurück nach St. Martin. Da lässt es sich vielleicht nicht so gut proviantieren, wie auf Martinique, oder so gut lossegeln, wie von Antigua, aber es wird unserer Absprungsort. Denn dort gibt es mehrere, durchaus riesige Bootsausrüster, von denen wir hoffentlich nicht so viel kaufen müssen. Es gibt einen Super U(Supermarkt) mit der französischen Käse- und Weinauswahl und sogar knusprigem, nicht weißem Brot und allem anderen, was man so braucht in dem zwar alle Preise in Euro stehen, aber man auch 1/1 mit $US zahlen kann(inzwischen 1:1,10), was ja für uns knapp 15% Rabatt bedeutet. Es gibt auch eine Wäscherei, in der wir günstig mit den Locals ein letztes Mal waschen können. Und es gibt diese nette Bar auf der holländischen Seite mit sehr schnellem Internet. Wo wir ein paar Filme runterladen können und bei einem letzten Painkiller auf gute Winde warten werden und uns dann auf den Heimweg machen.

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