Stralsund: Zehn Monate Vorbereitung Teil 1


Zehn Monate, von der Idee, bis zur Abfahrt. Das klingt erst ein mal lang. Doch wir hatten einen strammen Zeitplan. An was muss man alles denken? Was muss getan, gekauft, gelernt werden? Das sind schwierige Fragen, die sich jeder selbst stellen sollte. Denn es hängt doch sehr von einem selbst ab. Was will man machen? Wieviel Zeit und Geld kann man investieren? Und am wichtigsten: Was braucht man wirklich(um sich sicher bzw. wohl zu fühlen)? Worauf kann man verzichten?

Warum? Alles ging los mit einem Abend auf dem Land und in geselliger Runde. Wir hatten gerade einen zehntägigen Urlaubstörn in den Schären Schwedens hinter uns. Auf der Heimfahrt erlebte ich meinen ersten langen Schlag. 130 Meilen am Stück ging es aus Zeitmangel zurück nach Stralsund. So lange und dann noch über Nacht war ich noch nie gesegelt. Doch es war etwas, was ich unbedingt wiederholen wollte.. Und da erzählte Lennart mir doch tatsächlich nach fünf Jahren Freundschaft zum ersten Mal von seinem Traum: Los zu segeln. Den Atlantik zu überqueren (realistisch) oder um die Welt(später).


Es war also nur ein Törn, ein Bier, ein Sonnenuntergang, der in den darauffolgenden Monaten unseren Familien und Freunden die Haare zu berge stehen lassen würde. Es wurde Zeit, das ganze nüchtern zu besprechen, um aus dem Traum einen Plan zu machen. Das war gar nicht so einfach, weil wir herzlich wenig über das ganze Thema Blauwasser-Segeln wussten. Also haben wir uns erstmal ansatzweise belesen. Und uns die wichtigsten Fragen gestellt:
Was wollen wir? Den Atlantik überqueren.
Wann wollen wir das? Schnellstmöglich, also nach meinem Abiball und nach den Melges24 -Europameisterschaften Anfang August 2018 
Wie lange haben wir Zeit? Ewig, aber wir nehmen uns das „Gapyear“, also ca. ein Jahr Zeit bis zum Studium. 
Schaffen wir die (uns noch wenig bekannten) Vorbereitungen bis dahin? Wird knapp!
Können wir uns das leisten? Wird auch knapp!
Also, schaffen wir das? JA!!


Na dann mal los: Wir weihten unsere Freunde und Familien in den Plan ein. Die etwa so viel, wie „Jaja, klar“ sagten. Es war klar, das würde unsere Sache werden. Und wir setzten uns ein paar Grundsätze: 
1. Wir werden den Atlantik überqueren. Mit eigenem Boot und nur wir zwei.
2. Es wird unser Projekt. Also selbstfinanziert und umgesetzt.
3. Wir würden von Stralsund aus starten, um neben Schule und Arbeit am Boot arbeiten zu können.

Uns war aber auch klar, Zeit und Geld waren knapp. Also ging sofort die Suche nach einem geeignetem Boot los. Wir verglichen immer auch Ausstattung und was die Fehlende uns kosten würde. Selbst die Kosten für Besichtigungen gingen mit in den „großen“ Budget-Plan. Denn mehr Geld als in dieser Tabelle konnten wir zu dieser Zeit nicht aufbringen. Das erste Boot, was wir uns anschauten, war ein Haufen rostender Stahl und selbst der unterirdische Preis, konnte uns nicht dazu bewegen, diese Yacht zu kaufen. Die Grundsubstanz musste stimmen. Aber der Name blieb uns im Gedächtnis: Andiamo.

Schon bald fanden wir dann eine IW-31 in Kiel. Dieses Schiff gefiel uns allein schon am Design. Es war schmal und hatte schöne Linien, designt von den bekannten Schiffsdesignern Stephen & Sparkman. „Für Hochseeregatten gebaut“ war es. Das klang gut, auch wenn knapp 50 Jahre später. Doch das Alter ist nur eine Zahl. Der GFK-Klassiker erschien uns solide und überzeugte mit guten Segeleigenschaften, die uns Regattaseglern wichtiger waren als Komfort. Denn ja, durch den schmalen Schnitt und das wenige Freibord wirkte unsere neuste Errungenschaft kleiner als sie mit ihren fast 10 Metern ist. 


Unsere Eltern waren mehr als überrascht, als wir mit dem Kaufvertrag wedelten. Unsere gesamten Ersparnisse sind drauf gegangen und das obwohl der Voreigner auf Grund unserer Geschichte mit dem Preis schon ein gutes Stück runter gegangen ist. Wir mussten uns bis zum nächsten Gehalt sogar Geld leihen um den Liegeplatz in Kiel bis zur Überführung zu bezahlen.. 

Und dann war es soweit. Wir betraten unser erstes Schiff, um es nach Hause zu bringen. Ich war krank, doch selbst unter Antibiotika wollte ich unbedingt dabei sein. Unser bester Freund Josef unterstütze Lennart bei der recht windigen Überfahrt. Knapp über 30 Knoten ließen sich zu unser Freude gut, wenn auch ziemlich nass bewältigen. 

Bei Stralsund, auf dem Dänholm angekommen trauten unsere Eltern, Freunde und Bekannte ihren Augen nicht, aber wir waren vollkommen glücklich. Ein paar Mal noch segelten wir durch die Gegend, dann kam unser Baby auch schon aufs Trockene. Und die Arbeit begann..



Auf dem Gelände unseres Vereins, der Segelschule Dänholm, wurden wir mit der Andiamo herzlich aufgenommen und man unterstützte uns, wo man konnte. Thomas Schenk, Leiter der Segelschule, half uns enorm, in dem er uns Liegeplatz (im Wasser, wie auch an Land), Kran, Hafentrailer und Werkstatt (mit allem Inventar) frei zur Verfügung stellte. 


Noch am Kran entfernten wir Pocken und Bewuchs. Dann bekam Andiamo seinen Winterliegeplatz, unser Place to be in den nächsten Monaten. Das Unterwasserschiff musste ab. Und zwar komplett. Also standen wir stundenlang am Rumpf in einer Wolke aus Antifauling. Blau, beschreibt diese Zeit am besten. Es gab nicht einen Fleck an uns, der nicht staubig blau war. Trotz Atemmasken, Overalls, Handschuhe und Staubsauger an der Flex. Wir waren immer vollkommen verstaubt. Das war eine anstrengende und vor allem giftige Arbeit, die wir noch vor dem Winter beenden konnten. 


Nun wurde das Boot abgedeckt, doch das heißt nicht dass die Arbeit pausiert worden wäre. Erst recht nicht, konnten wir uns irgendwen leisten, der uns Arbeit abnehmen würde. Und auch wenn Josef uns immer wieder mal unterstützte, so waren wir doch auf uns alleine gestellt. Und bei mir ging jetzt die heiße Phase im Abitur los. So konnte sich Lennart ganz in Ruhe dem nächstem Schritt widmen. 


Die Elektrik musste überholt werden. Also war Lennart Tag für Tag und Nacht für Nacht mit einem Heizlüfter an Bord und hat gebastelt. Ein befreundeter Elektriker unterstütze uns mit Wissen und Material. Die darauf folgende Zeit, war dann wie mit einem Elektrikbaukasten als Kind. Nur größer, nie endend und unser Leben würde davon zumindest mit abhängen. Glücklicherweise widmete ein Student der Hochschule Stralsund seine Hausarbeit dem Thema: (elektrische) Autonomie an Bord(unserer Yacht). Daraus entstand ein äußert detaillierter und durchdachter Plan, wie wir ihn uns wünschten und ihn nur noch umsetzen mussten.


Das war sehr hilfreich und vor allem, kann unsere Andiamo jetzt lauter tolle Dinge. Die verschiedenen Erzeuger können Wahlweise sowohl Service- als Auch Starterbatterien laden und umgekehrt können wir sowohl Motor als auch Verbraucher wahlweise mit beiden Batteriesystemen nutzen. Dazu ist alles drei mal abgesichert und wir haben sogar einen Batteriemonitor einbauen können der uns über Verbrauch, Ladezustand und alles mögliche informieren kann. Wir haben mit ordentlich Rabatt bei einem Elektrikhändler der Region bestellt:
1 MPP-Laderegler(für Solar), 2x 50W Solarpanele(Monokristalin), 3x100ah AGM-Batterien(Service), Batteriemonitor, Spannungswandler 12 auf 230V(bis 1000W). Der arme Paketlieferant hatte lange Arme, aber wir dafür vollkommene Autonomie für weniger Geld. Zusätzlich ersteigerten wir noch einen billigen Windgenerator mit Laderegler. Diese ganze Technik plus Kleinkram wie Steckdosen musste nun verkabelt  und gesichert werden. 


Das nahm einen großen Teil des Winters in Anspruch. Doch zur Abwechslung bauten wir nebenbei auch mal einen neuen Ankerkastendeckel und laminierten unsere Luke etwas. Dazu kommen dann immer noch haufenweise Kleinigkeiten und nie funktioniert alles auf Anhieb. Aber wir konnten netterweise die große Werkstatt unseres Vereins, der Segelschule Dänholm nutzen. Und nicht nur das. Bei dem obligatorischem schwarzen Tee gab es neben viel Schnack auch jede Menge Wissen, was wir nutzen konnten. Einziger „Nachteil“, wie das in Vereinen so ist, hilft man sich. Das raubte uns manchmal die Zeit, nicht nur an unserem Projekt zu arbeiten, aber wir halfen immer gerne und ein bisschen Ablenkung tat uns gut. Die Segelschule Dänholm jedenfalls gehört zu den geselligsten Orten, die wir kennen. Man wird aufgenommen, integriert, gebraucht und unterstützt. So verbrachten wir den Winter, doch das war erst der Anfang. Die weitere Geschichte bis zur Abfahrt  erzählen wir in Teil 2. Bis dahin Lennart & Valentin.

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